Presse­berichte


 

 

29.8.2017

Musikalische Zeitreise im Kunsthaus

Pianist Christoph Bauer spielte Stücke von Schubert, Olivier Messiaens und John Cage / Kalbe strebt Zusammenarbeit anTüber

 

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Robert Christoph Bauer präsentierte am Freitag im Kunsthaus Salzwedel der Klangfülle und Sille. Foto: Oliver Becker

 

Von Oliver Becker

Salzwedel * Es ist vielleicht der Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe im Kunsthaus Salzwedel, die der Verein Künstlerstadt Kalbe am Freitag mit seiner ersten Konzertaufführung gestartet hat. „Wir streben mit dem Kunsthaus Salzwedel eine Kooperation an", informierte Vereinsvorsitzende Corinna Köbele die Gäste zu Beginn des Konzertes. Es begeistere sie regelrecht, den schönen Saal des Kunsthauses für das erste Konzert nutzen zu können. Für dieses hatte Corinna Köbele schon einmal mit dem Künstler sozusagen ein Bindeglied zwischen beiden Städten mit nach Salzwedel gebracht. Der Komponist und Pianist Robert Christoph Bauer hatte 2014 und 2015 jeweils zwei Wochen beim Sommercampus in Kalbe verbracht. Mit seinem Abschiedskonzert „Schubertiade" zu Ehren von Franz Schubert, bedankte er sich 2015 für seinen Gastaufenthalt in der Künstlerstadt an der Milde. Auch am Freitag begann Bauer sein Gesprächskonzert, wie er es nannte, mit dem österreichischen Komponisten, einem der bedeutendsten Vertreter der frühen Romantik. Die musikalische Reise durch die Zeiten, die bis in die Gegenwart führte, hatte der Pianist unter den Titel „Erlösung-Entgrenzung-Auflösung" gestellt. Ein Konzert der Gegensätze und der Gemeinsamkeiten." Mit Franz Schubert, Alexander Skrjabin, Olivier Messiaens, John Cage und Morton Feldman vollzog Bauer in seinem Konzert einen Rundgang durch fast 200 Jahre Musikgeschichte und komprimierte diesen Zeitabschnitt musikalischer Entwicklung in seinem Konzert auf knapp anderthalb Stunden. Vor der Aufführung gab er Erläuterungen zu den einzelnen Werken und Komponisten. Mit Schuberts Klaviersonate in H-Dur, D 575 in vier Sätzen, setzte Bauer einen wahrhaft melodiösen Auftakt. Eben Schubert wie man ihn mag, klang- und facettenreich. Olivier Messiaens (1908-1992) räumte in seinem Werk „Vingt regards sur lÉnfant-Jesus" von 1944 den Notenfreiräumen schon etwas mehr Platz ein. So ist jedem Tastenanschlag die Möglichkeit der größtmöglichen Entfaltung gegeben. Dieses hat der US-amerikanische Avantgarde-Komponist John Cage Ende der 1940er Jahre mit seinem Stück „4'33"", also vier Minuten dreiunddreißig Sekunden, vervollkommnet. Das Besondere an dem Stück: Der Pianist spielt keinen einzigen Ton. Das erinnert ein wenig an des Kaisers neue Kleider. Da heißt es: Man sieht etwas, das es gar nicht gibt. Für das Stück von Cage könnte man daran angelehnt sagen: „Sie hören, was Sie nicht hören!" Einzig die Zuhörer erzeugen in der fast vollkommenen Stille die Geräuschkulisse durch Hüsteln, durch Stühlerücken, durch Räuspern oder durch das Auseinanderfalten des Programmblattes, um es noch einmal zu studieren und werden so zu den eigentlichen Künstlern. Wie der Pianist vor dem Stück erläuterte, soll das klanglose Musikstück zum Nachdenken über Musik und Stille anregen. Das Publikum dankte im Anschluss mit einem lauten Beifall. In den Stücken, die durch Noten belebt waren, überzeugte der gebürtige Koblenzer durch sein präzises Spiel. Bauer studierte Klavier und Komposition in Freiburg, Paris, Salzburg und Graz. Er lehrte Musiktheorie an der Freiburger Musikhochschule und vertritt seit 2016 eine Professur an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy" in Leipzig.  

 

© Volksstimme, Gardelegener Kreisanzeiger, 28.8.2017, S.20