Barakat Arja floh Ende 2015 aus Syrien

Auf der Flucht mit einem Koffer voll Kunst

28.07.16

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Zahlreiche Gäste kamen zur Vernissage von Barakat Arja in Kalbes „Galerie der 100 Brücken“. Wegen der sommerlichen Temperaturen machten es sich die Besucher im Freien gemütlich. © Berlan Kalbe.

 

Tausende Flüchtlinge standen vergangenes Jahr vor den Türen des Berliner Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso), um sich dort registrieren zu lassen. Hunderte von Kilometern nahmen sie für eine bessere Zukunft, ein besseres Leben auf sich.

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Portraitkünstlerin Annette Prüfer (v.l.) lernte den Künstler Barakat Arja und seinen Sohn Fahed auf der Lageso in Berlin kennen. Gemeinsam mit Hubert Schmidleitner machte sie die Vernissage möglich. © Berlan

 

Inmitten der vielen Menschen – die Berliner Porträtkünstlerin Annette Prüfer. „Ich wollte die Menschen nicht von außen sehen, sondern suchte den persönlichen Kontakt auf Augenhöhe zu ihnen“, erklärte sie. Sie bot den vielen Wartenden an, sich von ihr portraitieren zu lassen und die Menschen nahmen es dankend an. Während sie jemanden zeichnete, sprach sie plötzlich ein junger Mann an und erzählte ihr, dass sein Vater, Barakat Arja, auch Künstler sei und stellte ihr daraufhin seine Familie vor, erinnert sie sich. So entstand der erste Kontakt. Diese Begegnung ist sieben Monate her und bis heute haben sich Annette Prüfer und die syrische Familie nicht aus den Augen verloren. Am Dienstagabend stellte der 71-jährige Maler und Bildhauer – er studierte an der Universität Aleppo und unterrichtete später Plastik und Malerei in Hama, arbeitete für das Theater und veröffentlichte als Kunstkenner regelmäßig eine Kolumne in einer der Wochenzeitungen – erstmalig einige seiner Werke in Kalbes Galerie der 100 Brücken aus. Ende 2015 waren er und seine Familie zur Flucht vor dem Bürgerkrieg gezwungen. Während Barakat Arja mit seiner Frau, seinem Sohn Fahed und dessen Familie über das Mittelmeer flohen, konnte seine Tochter Dima im Flugzeug eine Reihe seiner Werke in einem Koffer nach Deutschland retten. In seinem Atelier in Hama befinden sich allerdings noch weitere Kunstwerke. Ob das Atelier und die Werke noch existieren, ist fraglich. Rund 150 Bilder, davon 20 Ölbilder und weitere Papierarbeiten und Aquarelle, konnten er und seine Tochter auf ihrer Flucht retten. Mit Hilfe des Berliner Kunstpädagogen Hubert Schmidleitner und der Künstlerin Annette Prüfer fand bereits im März eine Ausstellung mit seinen Werken in Berlin statt. Und am Dienstag nun auch in Kalbe. „In den letzten fünf Jahren konnte der Künstler in seiner Heimatstadt aufgrund der politischen Situation nicht arbeiten“, erklärte Hubert Schmidleitner. Umso mehr freut es den Kunstpädagogen, dass Barakat Arja wieder mit dem Malen angefangen hat und dass in den vergangenen zwei Monaten Werke von ihm in Deutschland entstanden sind. Somit sind in der Ausstellung nicht nur Malereien aus Syrien ausgestellt, sondern auch aktuelle Werke von ihm zu besichtigen. Die Begegnung mit dem syrischen Künstler und Akademiker Barakat Arja empfinden Annette Prüfer und Hubert Schmidleitner als ein Geschenk. Sie spricht von einer „Schicksalsfügung“. Und er sagte auf der Ausstellung in Kalbe: „Barakat Arja, ein Fremder, dem wir als Flüchtling begegnet sind, stellte sich nach und nach als Mensch heraus, der in der europäischen und orientalischen Kunst nicht nur bewandert ist, sondern sie sogar verbindet.“ Die Ausstellung wird in der Galerie der 100 Brücken noch bis Sonntag, 2. Oktober, zu besichtigen sein.

Die Räume sind montags bis freitags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Besucher können sich vor ihrem Besuch bei Frau Nowack an der Gerichtstraße 3 oder unter der Telefonnummer (03 90 80) 37 00 melden. Sie führt dann durch die Ausstellung.

Von Marilena Berlan

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